Die beiden Künstler Michael Wismar und Hagen Thiel präsentieren in ihrer ersten Ausstellung im Kultkiosk Supalife in Berlin den „Anonymen Plakatabriss“ – Ausstellung bis 15. November 2016

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Frank Wismar eConcierge Mecklenburg Vorpommern und sein kreativer Sohn Michael bei der Vernissage

Am 30.09.2016 war es endlich soweit. In Berlin‘s Geheimtipp für urbane Kunst, dem Kultkiosk Supalife gaben die beiden Straßenwandler Michael Wismar und Hagen Thiel ihren offiziellen Einstand in die künstlerische Öffentlichkeit.

Bis dato konnte man ihre surrealen und bissigen Collagen, die durch wildes Ankleben und Herabreißen von Plakaten entstehen, nur auf den jährlichen Veranstaltungen „Hamburg zeigt Kunst“ und „Schwerin zeigt Kunst“  (schon im Blog berichtet) bewundern und diskutieren. Die eigens für diese Kunstevents produzierten und limitierten Kataloge ihrer fotografischen Mitschnitte eines bunten Plakatier-Rummels auf den Straßen deutscher Städte, waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen und tagtäglich erreichen die Jungs zahlreiche Anfragen nach weiteren Auflagen.

Die immer größer werdende Fangemeinde um das Duo feierte nun umso ausgelassener die Eröffnung ihrer ersten Ausstellung.  Mit über 40 Unikaten (Affichenpapier geleimt auf Holzrahmen ) sowie einer Fotodokumentation ihrer Streifzüge, samt scharfzüngiger und sozialkritischer Kurzgeschichten rund um die Erlebnisse zweier Straßenkinder mit Kamera im anonymen Großstadt-Dschungel, gelang den beiden eine spektakuläre Premiere.

Der Besucherstrom sprengte das eingeplante Getränke-Versorgungs-Kontingent des Kultkiosk, so dass Nachschub aus den umliegenden Spätis organisiert werden musste, was der ausgelassenen Stimmung der Kiosk-Besucher jedoch keinen Abbruch tat. Zeitweise drängte sich die bunte Fan-Traube im Warteschlangen-Modus bis raus auf die Straße, um schließlich und endlich dann auch einen Blick ins Innere erhaschen zu dürfen.

Nun gut – der ästhetische Reiz abgerissener Plakate ist seit Mimmo Rotella kein kürzlich enthülltes Mysterium. Auch die Technik des Abfotografierens der urbanen Werbefetzen holt nun niemanden so wirklich hinter‘m Sofa hervor.

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Was ist nun also so besonders am „Anonymen Plakatabriss“?

Dachte ich mir und fragte nach. Michael Wismar, der im November 2013 auf einem seiner nächtlichen Streifzüge ins Hier und Dort einen alten Werbefetzen fotografierte, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Projekt „Plakatabriss“. Die Sammlung wuchs und das Baby erhielt damals den Arbeitstitel „Wall“. Es war ein magischer Schnappschuss ohne Hintergedanken, der ihn bis heute nicht los ließ und mittlerweile die meiste Zeit des vielseitigen Künstlers wie auch „Master of Arts“, der bereits einem F.C. Gundlach, einer Jenny Falckenberg und einem Ingo Taubhorn assistierte, in Anspruch nimmt. Und als wenn dieses Engagement, der Kunst zuliebe, nicht schon ausreichend genug wäre, entschied sich Michael Wismar, nachdem der Termin für die erste offizielle Ausstellung feststand, einen Job als Plakatierer anzunehmen, um noch tiefer in die Materie einzutauchen und sich noch weiter mit den Techniken dieses altehrwürdigen Berufes vertraut zu machen. Das Medium Plakat erleben; von der Geburt, über Verfall bis zum Tode. Chapeau!

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Mit Hagen Thiel, Kommunikationsdesigner und gutem Freund stieg Mitte 2014 die andere Hälfte des Künstler-Duos ins Boot. Das Projekt war seinen Kinderschuhen zu schnell entwachsen, hatte längst seinen wahren Namen gefunden – „Der Anonyme Plakatabriss – kurz DAP“ –  und brauchte wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Zeit. Die Ideen häuften sich, doch diese in die Tat umzusetzen, erwies sich zeitaufwendiger als gedacht. Man begann nach Stadtteilen und Städten zu katalogisieren.

Die kleine Fan-Gemeinde um die Beiden feierte diesen Schritt, wurde so nun jeder Ort in seiner lokalen Einzigartigkeit herausgestellt.  Der erste Schritt zum USP (unique selling proposition) wie man in der Wirtschaft sagen würde, war getan. Von hier aus dauerte es nicht mehr lang und das wahrhafte Erkennungszeichen, die wirkliche Besonderheit, das Symbol, welches das Herz eines jeden stolzen DAP – Besitzers höher schlagen lässt, wurde ergänzt: die genauen geografischen Koordinaten eines jeden Abrisses, die man bei Kauf eines Werkes in Form einer Titelkarte ausgehändigt bekommt – ein merkwürdig faszinierender Moment wie ich bestätigen kann.

Die Umsetzung der Zuordnung mit genauen Geo-Daten katapultierte das Projekt in  eine gänzlich neue künstlerische Sphäre. Es hagelte Akzeptanz und Anerkennung in der Szene. Aus den einfachen Momentaufnahmen waren Zeitzeugen mit Herkunftsnachweis geworden, im übertragenden Sinne selbstverständlich. Ich könnte den Geburtsort meines Werkes also morgen besuchen, vielleicht träfe ich sie sogar noch an – die Mutter des Abbildes. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht und viel wahrscheinlicher hätte der Zahn der Zeit schon längst ein neues Bild erschaffen und nur noch Fragmente erinnern an den einen Moment, als ein Michael Wismar oder ein Hagen Thiel mit ihrer Kamera vorbeizogen und diesen Augenblick – Klick – festhielten. Mein DAP ist längst zum Ur-Ahn mutiert, an jener Wand zu dieser Zeit.

Was ist es nun also, das Besondere am DAP? Tja, wer das nun immer noch nicht verstanden hat, dem kann ich auch nicht helfen.

Ich jedenfalls danke den Jungs für ihre Hommage an die Zeit und die Schönheit der Vergänglichkeit, für einen tollen Abend und für so viel Inspirierendes in ihren Texten, Abrissen und Fotografien.

Ein Wort zur Zukunft des Anonymen Plakatabriss‘?

Hagen Thiel: „Wenn wir international katalogisieren, wenn Handys rund um den Globus Zeitzeugen mit ihren Geo-Daten festhalten und die DAP Community aus allen Winkeln der Welt postet, dann….“

Tja, dann gibt es schon die nächsten spannenden Ideen. War ja irgendwie zu erwarten.

Das eConcierge Team wünscht euch alles Gute und hofft noch viel von euch zu hören!

Der „Anonyme Plakatabriss“ präsentiert sich noch bis Mitte November im Supalife Kiosk und vielleicht habt ihr ja das Glück und trefft einen der beiden Künstler für ein nettes Gespräch rund um Zeit und Vergänglichkeit.

Die letzten Worte überlasse ich gerne Michael Wismar und Hagen Thiel, einfach weil sie im Herzen eben auch noch Poeten sind.

 „Wenn die besten Zeiten über ihnen liegen, ihre Haut faltig und ihre Stimmen gebrochen sind, schert sich niemand mehr um die Plakatanschläge, die auf den Flächen der Stadt in einer stillen Randexistenz dahinvegetieren.

Ihrer einstigen Funktion als Informationsgeber und Signalgeber beraubt, stehen ihre Uhren mittlerweile still und Passanten rauschen an diesen Papier-Ruinen vorbei, wie ein Schnellzug durch einen gottverlassenen Bahnhof. Durch die aufgerissene Oberfläche dringt eine urbane Collage, die befreiter, poetischer und ehrlicher kaum sein kann. Auf ausgedehnten Streifzügen durch die Stadt, folgen wir der Berliner Plakatkultur und dokumentieren die verschiedenen Gestalten, die der anonyme Plakatabriss annimmt.“

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